Der Raum als dritter Pädagoge

Schule war in der Vergangenheit häufig ein Ort der Belehrung. Vor der Tafel steht der Lehrer und doziert, im Klassenraum sitzen die Schüler ordentlich aufgereiht und hören zu. Wer das Gelernte dann in der Klassenarbeit brav reproduzieren kann, wird versetzt, wer versagt, bleibt sitzen. Zeitgemäßer Unterricht akzeptiert dagegen die Tatsache, dass individuelle Schüler unterschiedliche Lernwege gehen und dabei unterschiedliche Geschwindigkeiten haben.

Hierfür müssen die gewohnten Raster aufgebrochen werden – vom 45-Minuten-Takt der Stunden über die rigide Trennung zwischen den Schulfächern bis hin zum räumlichen Raster der Klassenzimmer. An die Stelle starrer Ordnungssysteme tritt eine flexible Vielfalt von Methoden, Sozialformen und Raumtypen.
Loris Malaguzzi, Begründer der Reggio-Pädagogik, hat dazu den wichtigen Satz geprägt: „Die anderen Kinder sind der erste Pädagoge.
Lehrer sind der zweite und der Raum ist der dritte Pädagoge.“

Atmosphäre und Architektur, also eine gut gestaltete und intelligent vorbereitete Umgebung, sind für das Gelingen der Bildung entscheidend.

Vieles von diesem Konzept gehört heute längst zum Schulalltag. Kinder werden immer seltener vom Pult aus belehrt, sondern erhalten die Chance, sich neues Wissen gemeinsam und eigenverantwortlich zu erarbeiten. Den deutschen Schulgebäuden und Klassenzimmern sieht man dies allerdings kaum an. Moderner Unterricht muss in den Schulstuben von gestern improvisiert werden, mit Möbeln, die nur für den Frontalunterricht taugen. In solchen Lerncontainern stößt jeder selbstorganisierte, handlungsorientierte Unterricht auf erhebliche Widerstände.

Flexibler Unterricht benötigt ebenso flexibel gestaltbare Räume. Im Idealfall ist dies eine „fraktale Schule“ mit offenen Raumkonzepten, die Nischen für Einzel- und Kleingruppenarbeit ebenso anbieten wie Großflächen für klassenübergreifende Kooperation. Aber auch in Schulgebäuden mit traditionellen Strukturen von Fluren und Klassenräumen lassen sich flexible Lernwelten gestalten.

Ein gut gestalteter Lernraum sollte eine Einladung sein zum Lernen – und eine Atmosphäre schaffen, in der man sich wohl fühlt, die ausdrückt, dass die Menschen darin willkommen sind, respektiert und wertgeschätzt werden.